400.000 Pyrolyseanlagen zur Rettung des Klimas

Pflanzenkohle

von Hans-Peter Schmidt und Nikolas Hagemann
übernommen aus dem Ithaka Jorunal

Um den Klimawandel auf 2°C zu begrenzen, müssen mindestens 220 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in zusätzlichen C-Senken gespeichert werden – das entspricht rund 800 Milliarden Tonnen CO2. Um ein Drittel dieser Senkenkapazität mittels Pflanzenkohle und Pyrolyseöl zu erreichen, sind bis 2050 weltweit rund 400.000 industrielle Pyrolyseanlagen in Betrieb zu nehmen. Um diese enorme Menge an Industrieanlagen in so kurzer Zeit zu erreichen, benötigt es in den nächsten 20 Jahren ein exponentielles Wachstum der Anlagenfertigung von derzeit rund 100 Anlagen pro Jahr auf über 100.000 Anlagen pro Jahr. Ab diesem Moment werden dann allerdings keine zusätzlichen Pyrolyseanlagen mehr benötigt, da nicht mehr Biomasse als für 400.000 Anlagen nachhaltig produziert werden kann. Nach dem exponentiellen Wachstum der Fertigungskapazitäten, benötigt es folglich gleich anschließend ein exponentielles Schrumpfen des Anlagenbaus. Eine nie dagewesene wirtschaftspolitische Herausforderung, die angesichts der planetaren Grenzen für sämtliche Klimatechnologien gilt.

Gliederung
  • C-Senken Zertifikate
  • Fertigung von 380.000 Pyrolyseanlagen
  • Kontrolliertes Schrumpfen
  • C-Senken basieren auf staatlich regulierten Märkten
  • Ausblick

Um die Klimaerwärmung auf 2 °C zu beschränken, müssen nicht nur die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 90% gesenkt werden, sondern bis 2100 zusätzlich C-Senken von mindestens 800 Milliarden Tonnen CO2eq geschaffen werden (Hilaire et al., 2019; Rockström et al., 2017; Werner et al., 2018). Durch einen Ausbau der Biomasseproduktivität landwirtschaftlicher Flächen durch Methoden wie Ackerforst, Waldweiden, Waldgärten, Algenfarmen an Küstenstreifen könnten in den nächsten 70-80 Jahren insgesamt zumindest 30% der benötigten Menge Kohlenstoffs zusätzlich zum heutigen Stand dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen werden, sofern die Biomasse mittels Pyrolyseanlagen zu Pflanzenkohle und Pyrolyseöl umgewandelt und sequestriert würde (Schmidt et al., 2019). Um die benötigten rund 100 Milliarden Tonnen pyrogenen Kohlenstoffs (Pflanzenkohle und Pyrolyseöl) zu produzieren, ist es allerdings noch ein weiter Weg, sowohl in der landwirtschaftlichen als auch in der industriellen Entwicklung.

In der ersten Dekade der Biochar-Industrie, die im Jahr 2009 mit der ersten, in der Schweiz in Betrieb genommenen Anlage zur Pflanzenkohle-Produktion begann, hat sich ein kleiner, sich dynamisch entwickelnder Markt etabliert. Gab es 2012 zunächst nur drei EBC zertifizierte Betriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem Produktionsvolumen von insgesamt knapp 500 t Pflanzenkohle pro Jahr (die Anlagen standen länger still, als dass sie produzierten), konnten 2020 bereits 27 Produktionsstätten in acht Ländern zertifiziert werden. Für 2021 liegen Zertifizierungsverträge für mehr als 60 Betriebe mit einer Jahresproduktion von über 40.000 t Pflanzenkohle vor. Die Branche professionalisiert sich, hat mit dem EBI einen eigenen Industrieverband und auch nationale Fachverbände (Deutschland, Österreich, Schweiz), in denen sich Industrie, Wissenschaft, Naturschutz und weitere Interessengruppen austauschen. Gleichzeitig werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen schrittweise klarer.

Autoren

Hans-Peter Schmidt
Gründungsdirektor des schweizerischen Ithaka Institute for Carbon Strategies. Mit seinem Institut entwickelt und verwirklicht er Konzepte klimapositiver Landwirtschaft in Europa, Asien und Lateinamerika. Er leitet die European Biochar Foundation und ist Editor des Biochar Journal.

Dr. Nikolas Hagemann
Nikolas Hagemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agroscope in Zürich und Geschäftsführer des deutschen Ithaka Instituts. Als Geoökologe beschäftigt er sich seit 10 Jahren mit Herstellung und Anwendung von Pflanzkohle. Seit 2018 ist er Mitglied des Vorstands des Fachverbands Pflanzenkohle.

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